Don’t judge – „Warum heiratet ihr so früh?“

Ich erinnere mich an diesen an einen Moment und empfinde immer noch Unbehagen und auch etwas Wut darüber, dass mir jemand ein Ungutes Gefühl gibt in einer Phase, in der ich psychisch ohnehin labil bin.

Sechs Wochen vor unserem Tag sitze  ich also bei der Pediküre, voller Vorfreude auf unseren Tag und genieße es, einfach bride-to-be zu sein.

Natürlich, wie es in dieser Zeit einfach der Fall ist, kommen wir auf meinen sich bald ändernden Status zu sprechen. „Ach Sie heiraten?“ sagt die Dame mit einem Lächeln. Ich freue mich, über die Tatsache und die freudige Reaktion. Nicht mehr lange. Die Frau, die gerade meine Füße bearbeitet, druckst ein bisschen rum und weiß offensichtlich nicht, wie sie ihre Neugierde befriedigen soll. „Sie sehen so jung aus.“ bringt Sie dann irgendwann hervor.

„Darf ich fragen wie alt Sie sind?“

Offensichtlich alt genug um mich auf Anhieb zu siezen. So jugendlich sehe ich dann wohl doch nicht aus denke ich mir und ahne schon worauf das hier hinausläuft. Tatsächlich überlege ich kurz, mich einfach ein paar Jährchen älter zu machen. Ab wann ist heiraten normal? So schnell kann ich weder rechnen, noch denken und so sage ich lächelnd: „23!“. Pause. „Oh“ und wieder Pause. Sehe ich jetzt jünger oder älter aus? Ich verstehe es nicht ganz, rolle innerlich die Augen und fange unweigerlich an, mich unwohl zu fühlen. „Na das ist ja wirklich jung. Warum heiraten Sie denn so früh?“ Ob ich nur gedanklich die Augen gerollt habe, kann ich leider nicht mehr sagen. Ich hoffe nicht.

Eventuell war diese Frage ja auch gar nicht urteilend gemeint, eventuell. Vielleicht wollte die gute Dame nur wissen, warum wir heiraten.

„Sind Sie religiös?“ Jetzt möchte ich endgültig den Raum verlassen, aber meine Füße baden gerade und die Kosmetikerin hält bedrohliches Werkzeug in ihren Händen. Augen zu und durch heißt es also. „Nein, wir heiraten einfach nur, weil wir es wollen. Wir gehen jetzt seit acht Jahren durchs Leben, da kann man schon mal heiraten.“ entgegne ich und frage mich im gleichen Atemzug: „Fange ich schon wieder an, mich zu rechtfertigen?“

Erst war ich genervt, jetzt empfinde ich Wut.

Warum interessiert es Außenstehende so unglaublich, welche Entscheidungen Andere in ihrem Leben treffen? Mich interessiert es herzlich wenig, ob Leute mit 18 Jahren oder mit 50 Jahren heiraten. Weder das eine, noch das andere empfinde ich als komisch. Was für mich zählt, ist das Miteinander. Das gemeinsam durchs Leben gehen wollen und in eine Richtung zu schauen. Ein Team zu sein. Einander zu versprechen, in guten Zeiten gemeinsam zu Lachen und in weniger guten Zeiten die andere Hand zu halten.

Warum denken Menschen nicht daran, dass gemeinsam wachsen genauso schön sein kann, wie ausgewachsen aufeinander zu treffen?

Beziehungen verändern uns immer. Wir lassen uns zwangsläufig auf Neues ein und lernen voneinander. Es ist nahezu unmöglich, sich nicht von der Liebe zum Anderen beeinflussen zu lassen. Das Alter spielt in diesem Prozess keine Rolle.

Jemand kann mit 35 Jahren genauso unfähig sein eine Ehe zu führen, wie mit 20 Jahren.

So unterschiedlich unsere Persönlichkeiten und Wertevorstellungen sind, so unterschiedlich können auch unsere Einstellungen zu festen Partnerschaften sein. Wenn wir eine Entscheidung nicht nachvollziehen können, gehen wir immer von unseren Ansätzen aus. Niemand außer Lennart und mir kann unsere Beziehung nachvollziehen und noch weniger beurteilen, ob wir für eine Ehe bereit sind.

Bevor wir also das nächste Mal fragend urteilen und mit Sätzen wie „Hoffentlich habt ihr euch das gut überlegt!“ oder „Sowas geht ja meistens schief!“ (Ja, wirklich, das mussten wir uns anhören) die Laune verderben, lasst uns doch einfach den Fokus auf unsere Werte und Einstellungen legen, nicht auf die der Anderen.

Ja, vielleicht sind wir naiv, vielleicht ist das hier alles nicht so gut durchdacht wie wir annehmen, aber ist das nicht eigentlich auch schön? Eine Entscheidung aus dem Bauch heraus zu treffen und einfach nur aus Liebe? Die Scheidungsraten, über welche man uns freundlicherweise auch einige Mal aufgeklärt hat, sind von unglaublich geringer Bedeutung. Beim Gedanken an die Ehe direkt das Ende prophezeien scheint nicht unser Ding zu sein.

Ach und falls diese Frage noch nicht beantwortet ist: Wir haben geheiratet, weil uns danach war. Weil wir unsere Idee vom Leben gemeinsam kreieren wollen und das in einem Rahmen, der sich Ehe nennt. Weil Freund und Freundin nach all den letzten Jahren nicht mehr zu uns gepasst hat.

Weil Ehe für uns keine Einschränkung bedeutet, sondern die Möglichkeit einander beim Wachsen beiseite zu stehen.

Weil „Ich liebe dich“ nicht nur eine Floskel ist, die wir einander beim Abschied zurufen.

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